Eine Zerrüttung des Mietverhältnisses, ohne pflichtwidriges Verhalten der anderen Vertragsseite, reicht nicht aus, um ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung einzuräumen.
Frage: Ist eine außerordentliche Kündigung bei Zerrüttung des Mietverhältnisses wirksam?
Rechtsanwalt Oliver Thieler: Die Antwort lautet nein! Im Wohnraummietrecht reicht eine Zerrüttung des Mietverhältnisses, ohne der Feststellung durch ein pflichtwidriges Verhalten der anderen Vertragsseite, grundsätzlich nicht aus, um einer Mietvertragspartei ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses einzuräumen.
Der BGH hat mit Urteil vom 29.11.2023 (VIII ZR 211/22) folgenden Fall entschieden:
Ein Vermieter verklagte die Mieter auf Räumung und Herausgabe. Die Mieter bewohnen eine im ersten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses gelegenen Vierzimmerwohnung. Die Vermieter bewohnen eine Wohnung im Erdgeschoss des Hauses. Seit mehreren kam es zwischen den Parteien zu regelmäßigen Auseinandersetzungen wegen angeblicher beidseitiger Vertragsverletzungen. Die Mieter erstatteten gegen die Vermieter Strafanzeige wegen Verleumdung.
Wegen dieser Strafanzeige und des „zerrütteten“ Mietverhältnisses erklärten die Vermieter die außerordentliche fristlose, hilfsweise die fristgemäße Kündigung des Mietverhältnisses. Die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage hat das Amtsgericht abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Vermieter hat das Landgericht ebenfalls zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgten die Vermieter ihr Klagebegehren weiter.
Die Revision wurde vom Berufungsgericht ebenfalls zurückgewiesen mit der Begründung, dass der Vermieter keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der gemieteten Wohnung haben. Die Kündigungserklärung habe nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses geführt.
Ein Mietverhältnis kann aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gekündigt werden. Ein solcher Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Auch kann ein wichtiger Grund darstellen, wenn die nachhaltige Störung des Hausfriedens vorliegt. Eine nachhaltige Störung des Hausfriedens setzt voraus, dass eine Mietpartei aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme folgende Pflicht, sich bei der Nutzung der Mietsache so zu verhalten hat, dass die anderen Mieter nicht mehr als unvermeidlich gestört werden, in schwerwiegender Weise verletzt.
Die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund liegen hier nicht vor.
Die Kündigung wurde auf Zerrüttung und die von den Mietern erstattete Strafanzeige gestützt. Diese Gründe rechtfertigten eine fristlose Kündigung im vorliegenden Fall nicht. Vielmehr müsse zu der Zerrüttung hinzukommen, dass der Kündigungsgrund aus dem Bereich des Kündigungsgegners stamme. Vorliegend sei zwar eine nachhaltige Zerrüttung des Mietverhältnisses festzustellen. Es könne aber nicht festgestellt werden, dass die Ursachen aus dem Bereich der Mieter stammten.
Ein hierauf bezogenes pflichtwidriges Verhalten der Mieter, das zu dieser Zerrüttung zumindest beigetragen hat, lag nach Ansicht des Gerichts nicht vor.
Das Gericht ist der Ansicht, dass das Verhältnis der Parteien zueinander bereits seit Jahren von wechselseitigen Anschuldigungen geprägt ist, ohne dass die Ursachen für die hieraus resultierende Zerrüttung des Mietverhältnisses konkret den Mietern zugerechnet werden konnten. Die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zerrüttung des Mietverhältnisses ist nicht wirksam und somit besteht seitens der Mieter kein Räumungs- und Herausgabeanspruch.
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